People Power - Tag 3

Die Menschenmengen um Camp Crame wollen sich nicht auflösen. Die Nacht ist immer noch voll Anspannung und Unsicherheit. Um Camp Crame herum ist es ruhiger geworden, aber aus vielen Teilen der Stadt wird von Scharmützeln zwischen Loyalisten und Rebellen berichtet.

Am Morgen wird Corazon Aquino vor dem höchsten Gerichtshof als Präsidentin vereidigt. Eine Stunde später hält Ferdinand Marcos seine eigene Amtseinsetzungs-Feier, die vom Fernsehsender 9 übertragen wird.

Die Vereidigung
Die Vereidigung
foto: asiaweek
Die Letzte Feier
Die Letzte Feier
foto: bullit marquez

Wir sind im Haus eines Freundes in der Bohol Avenue, die genau zum Sendeturm von Kanal 9 führt. Ein Schützenpanzer rattert unter unserem Fenster vorbei, wir hören Schüsse, Hilfeschreie. Auf der Straße drängen sich Menschen in Hauseingänge, suchen Schutz hinter Kokospalmen, Panik regiert.

Ein Verletzter wird in unseren Garten geschleift, auf der Straße liegen mehrere reglose Körper. Wir versuchen, einige Jeeps zu organisieren, um die Verletzten in ein Krankenhaus zu transportieren. Neben mir bricht plötzlich ein Junge zusammen, eine Blutfontäne spritzt aus seinem Hals. Ich hebe ihn auf und versuche, einen Hauseingang zu erreichen, aus dem Asphalt vor mir spritzen kleine Staubwolken hoch - es dauert einen Moment, bis mir klar wird, dass jemand auf uns schießt! Das Knallen der Schüsse erreicht uns kaum, es herrscht ein Riesenkrach um uns herum, der Panzer eröffnet das Feuer auf den Fernsehturm, sein POK POK POK übertönt für einen Moment alles andere. Ich werfe mich mit dem Jungen in einen Hauseingang, versuche die Blutung aus seiner Halswunde zu stillen. Auf den Dächern um mich herum prasseln verbrauchte Kugeln herab, klackklack, klack, klackklack. Jetzt höre ich auch die Geschosse, die an mir vorbeizischen, ein gespenstisches Geräusch, ähnlich dem, wenn du in deinem Auto mit offenem Fenster sehr schnell an einer Reihe dichtgeparkter Autos vorbeifährst - whhiischschsch - whiischschsch - whiischschsch ...
Ein Jeep hält neben mir, jemand springt heraus, schreit mich an, wir heben den Jungen in das Fahrzeug, rasen im Rückwärtsgang die Straße hinunter. Auf der Fahrt ins Krankenhaus kann ich nur hilflos auf das T-Shirt starren, mit dem ich versuche die Wunde abzudrücken, rosa Schaum quillt durch meine Finger. Neben mir liegt eine tote Frau auf dem Boden, zwei Männer halten einen dritten nieder, dem ein großes Stück seines Oberschenkels fehlt.
Im Krankenhaus herrscht totales Chaos, die Notaufnahme ist glitschig vom vielen Blut. Die tote Frau wird in einen Sarg gelegt, der Junge auf eine Bahre, ein Arzt ist schon bei ihm, schüttelt den Kopf, ein Tuch wird über sein Gesicht gezogen ... Ich werde in den Jeep gestoßen, wir rasen zurück zur Bohol Avenue.

Dort wird noch immer geschossen, doch Minuten später fliegt ein Helikopter ein und macht dem Spuk ein Ende. Ein toter Loyalista wird vom Fernsehturm abgeseilt, der Rest ergibt sich den Rebellentruppen, die am Fuß des Turms verschanzt lagen. Eine wilde Menschenmenge drängt zum Turm, es herrscht Lynchstimmung. Eine Gruppe Nonnen umstellt die verhafteten Loyalistas und drängt sie zu einem Lastwagen, der sie schließlich abtransportiert.

Der Letzte 'Loyalista'
Der Letzte 'Loyalista'
foto: pete reyes
Sicheres Geleit
Sicheres Geleit
foto: ernie enrique

Ohne die Fernsehsender verliert Marcos endgültig die Kontrolle. Er macht einen letzten Versuch, mit den Rebellen zu verhandeln und bietet ihnen Mitarbeit in einer Übergangsregierung an, doch die Rebellen lehnen alle Vorschläge ab. In Telefonaten mit Angehörigen der US-Regierung wird Marcos geraten, den endgültigen Schnitt zu machen und abzutreten.

Daraufhin packen die Marcoses eiligst ihre Koffer. Die gesamte Familie und einige enge Getreue werden am Abend von vier Hubschraubern zum amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Clark Airbase ausgeflogen. Am nächsten Tag verlassen sie das Land und suchen Exil auf Hawaii.

Titelseiten von 1972 und 1986
Titelseiten von 1972 und 1986
foto: pa.eng

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